Der Wadenbeinkongress
Der erste Redner tritt ans Pult.
Der zweite voller Ungeduld
massiert schon mal sein Wadenbein
und freut sich drauf gleich dran zu sein,
denn er will manch gewagte These hier verkünden.
So fand er heraus, dass wenn ein Gnu in Graubünden,
dort mehr als neunhundert Gipfel erklimmt,
es hernach meist ein klein wenig missgestimmt
von all dem Gipfelbesteigen ist
und so gänzlich allen Schmerz vergisst,
den´s ob des Steigens im Wadenbein spüren müsste.
Drum meint der Gelehrte gelehrsam, es müsste
sich doch ein Zusammenhang finden lassen,
so dass dann am Ende die Krankenkassen
den Wadenbein-Gnu-Versuch refinanzieren
und so unser stetes Bemühn honorieren.
In der dritten Reihe hebt da einer den Finger,
ein anerkannter Zugvogelwadenberinger.
Er würd gern als dritter das Wort ergreifen.
Die Antwort des Saals ist gellendes Pfeifen,
denn Vögel, die der beringt, fliegen nicht mehr.
Nicht dass sie nicht wollten, sie sind nur zu schwer,
samt Wadenbeinring der Schwerkraft zu trotzen.
Sie sitzen behäbig am Boden und glotzen
nur sehnsüchtig piepend zum Himmel empor.
Da plötzlich spitzt jeder im Saale sein Ohr,
denn der Redner am Pult scheint nun reden zu wollen.
Ein Auge ist blau und ziemlich geschwollen,
so blickt er ins Rund und schimpft dann verbittert:
"Die Handys jetzt aus. Hier wird nicht getwittert,
gesimst, gefilmt oder telefoniert.
Ich habe hier mal eine Wade skizziert."
So spricht er und zeigt der Versammlung ein Blatt
das er mit Wachsmalkreide gefertigt hat,
wobei er sich auch sein Auge lädierte,
denn als er den Wadenbeinumriss skizzierte,
da hat ein Kollege ihn kichernd geschubst
und dabei wie ein Mädchen kichernd geupst:
"Ups, das wollt ich nicht," kicher, kicher.
Und er dachte noch, er sei anstubssicher
von wegen Respekt vor seiner Person.
Nun also die Wade, die er auf Ton-
papier skizziert´, trotz Stubs-Ups-Schubserei
war fertig skizziert; und markiert waren drei
besondere Punkte, von denen er fand
dass man sie so hoppladihopp aus dem Stand,
oder wie der Lateiner es sagt: Wade pede
als Punkte erkennt, die schon Anders, der Schwede
in seinem Wadenbeinnachschlagwerk nennt:
Punkt eins ist jener, der brennt wenn man rennt,
der zweite Punkt zwickt, sobald man´s Knie knickt.
Nun säh er die These gern abgenickt,
doch im Saale erhebt sich drauf arger Tumult.
"Hey, Sie sind uns noch Andersens dritten Punkt schuld-
ig geblieben, wenn Sie den Schweden hier schon zitieren.
Oder wollen sie von Anders nur das extrahieren,
was ihnen, Herr Ich-hab-ja-doch-Recht behagt?"
"Ist ja gut, weil ihr mich so freundlich befragt:
Der dritte Punkt ist der G-Punkt, der Gnu-Punkt.
Wenn man den in ein Schüsselchen Heilsalbe tunkt,
dann wären die Leiden womöglich vorbei
so Andersens These über Punkt drei."
Mit Beifall und Bravo geht`s dann in die Pause,
wo man ausruht vom Hader bei Zwieback und Brause
und kurz mal was andres als Waden bespricht.
"Erst jüngst las ich noch diesen Zeitungsbericht,
dass Andersens Sohn sich in Finnland erhängte,
nachdem er ein Fräulein von Wade bedrängte,
das ihn von sich fort stieß mit wüstem Geschrei.
So habe er unschicklich ihrem Punkt drei,
dem Gnu-Punkt des Fräuleins Avancen gemacht
doch dieser, erfuhr er, war strengstens bewacht.
Das grämte ihn sehr und er haderte bald
und er ging in den Wald und dort waberte kalt
am Boden ein Nebel ihm feucht um die Waden
und die Schwaden, sie schienen ihn einzuladen,
die Welt und den Frohsinn und alles zu lassen
Dann habe er sich noch so zwei bis vier Tassen
Eierlikörchen gekippt zwecks des Muts
erinnert ihn der doch aufs Wärmste an Ruths
Eierlikör, den im Wald sie stets schlürften
als sie gemeinsam nach Eiergold schürften,
um Zugvogelwadenringe zu schmieden
Doch´s Schicksal hat plötzlich anders entschieden:
Anders Junior ist tot und baumelt im Wind
So stand´s in der Zeitung. Nun aber geschwind
zurück zum Kongress, denn die Pause ist um
Man gibt sich erstaunt. Doch dann geht´s mit Gebrumm
und lautem Gemaule zurück in den Saal
Dort steht putzlebendig, quickmunter mit Schal
statt mit Seil um den Hals der soeben noch Tote
und studiert, als wär nichts, grad die Angebote
der aushängenden Kongressspeisekarte
Abends gibt´s Wadensoufflee, dazu Mate-
tee im Frotteetuch als Wadenwickel
und als Empfehlung von Chefkoch Zwickel
gibt’s Wadenroulade vom Wadentier
Drauf Anders zu Zwickel: "Sie schaden hier
der westlichen Wadentierpopulation
Nein, ich vergreife mich gar nicht im Ton!
Und trägt der Kongress hier dies Tier nicht im Wappen?
Drauf Zwickel zu Anders: "Probiern se n Happen.
Dies Tier ist aus Tofu mit Waden aus Soja
Genau wie das Gastgeschenk damals vor Troja
Nur war das nicht aus Tofu sondern aus Holz
Und die Waden des Pferds stehn heut auf dem Bolz-
platz als Torpfosten hinterm Kongresssaal gleich links
drauf schnappen sich beide zwei farbfrohe Drinks
und verlassen vergnüglich schwatzend die Szene
Im Sall unterdessen, folgt nun für alljene,
die´s interessiert: Das Wadenfrisieren
von Menschen zunächst und später von Tieren.
Zuerst wird das Wadenhaar sorgsam gekämmt
dann jedes für sich feinst mit Fango beschlämmt.
Der Schlamm wird mit süßsaurer Molke betupft
nebenbei wird ein flauschiges Hühnchen gerupft
und die weichsten der Daunen verwendet man nun
wie Miss Kitty in Dodge Citys Frisör-Saloon,
als indianischen Waden-Federschmuck
Statt Hühnchen geht übrigens auch noch Kuckuck.
Auch Rotkelchenfedern sind modisch begehrt
Nur der Schwarzfußindianer fühlt 2sich entehrt,
will man ihm Rotes ins Wadenhaar flechten
denn der nutzt nur Federn von pechschwarzen Spechten,
die er singend und tanzend bei Vollmond entfedert
Nur des Pechspechts Daune übertrifft den Extremwert
von kusch´ligen fünfzig Nannoflausch
weit weicher als jeder Wattebausch.
"Gibt´s", fragt da einer, "auch Waden mit Locken?"
Da läuten zur Vesper die Abendbrotglocken,
zu Wadensoufflee und Wadenroulade
Da rennt alles los, mit Geschrei, ohne Gnade!
Denn jeder will erster am Futtertrog sein.
Da rutscht wem die Socke, legt frei ´s Wadenbein.
Da sieht man die Locke, fünffach gekräuselt
leicht flatternd im Wind, der durchs Wadenhaar säuselt.
Ein andrer erspäht es und neidische Blicke
ob der Krümmung der Locke und auch ob der Dicke
des Haars, treffen grollend den nackigen Schenkel
Sogleich gibt’s Tumult und mit wirrem Geplänkel
sucht jeder, die Wade von Nahem zu schauen
Ein Schieben, ein Schubsen, ein Stechen, ein Hauen,
ein Drängeln, ein Drücken, ein Kneifen, ein Beißen
so lässt sich am besten die Szene umreißen.
Derweil am Buffet eine hungrige Magd
nutzt pfiffig die plötzliche Locken-Pracht-Jagd,
ihre Teller zu füllen mit Delikatessen
und hätte gern größere Teller besessen,
denn auf ihren da türmt sich das Essen bedrohlich
Und da fällt es ihr ein: "Ach, ich Magd, warum hol ich
nicht einfach zum Tragen mir Hilfe beim Knecht
und als Dank für die tüchtige Traghilfe flecht
ich ihm wieder mal Blümchen in seinen Bart
Doch der Knecht bräuchte selbst grad ´nen Bodyguard,
denn ihm ist die Locke, auf die alle stürzen
Er wollte sie eigentlich gestern schon kürzen,
denn er plant eine neue Wadenfrisur
Im Shop zum Kongress gibt’s dafür die Tinktur
von Komantschen im Tupper-Tipi gemixt
Jetzt steht er da, schwankend, und denkt sich: "Verflixt!
Wie konnt ich den Sockenhalter vergessen
Siegreich hält Zwickel der Koch unterdessen
des Knechtes Wadenlocke hoch empor
und ruft laut ins Rund: "Zum Labor! Zum Labor!
Aber da stellt die Magd sich ihm in den Weg
haut Zwickel ein zähes Stück Wadentiersteak
jäh in den Schritt und entreißt ihm die Tolle
und kratzt ihn und pitscht ihn und schubst ihn ganz dolle
und zetert und kreischt wie vom Teufel besessen
Der Gehörnte allerdings war grad zur Kur in Hessen
bei Steinau an der Märchenstraße in der Teufelshöhle
wo er kurz einmal ausruht vom steten Genöle,
der Verdammten, die alle im Lavabad braten
Auch sind ihm die ständigen Körpereinfahrten
in Knechte und Mägde und Pfaffen längst fad
Nun sitzt er gemütlich im kureignen Bad
und tippt sich gedankenverloren ans Kinn
"Hm - wie kam´s, dass ich Teufel geworden bin?
Ich weiß noch, zuerst war ich Engel, dann Pudel
Beim Kongress unterdess kämpft man um einen Nudel-
salat, denn der Koch ist der Magd grad entkommen
Allein, er schwankt schlimm und ist noch schwer benommen
und glaubt der Leibhaftige sei ihm erschienen
und er duckt sich voll Furcht, denn das teuflische Grienen
der Magd ist auch weiterhin auf ihn gerichtet
Doch der Klüg´re gibt nach und somit verzichtet
Koch Zwickel auf seine lockige Beute
an der er sich eben so diebisch noch freute
und legt sie stattdessen der zornigen Süßen
zu Grunde - ans Herz -nein, wie sagt man?- Zu Füßen!
Dazu noch mit dornigen Grüßen, zwei Rosen
Gleich neben ihm kämpfen um Spirituosen
zwei durstge Doktoren der Wadologie
Sie sind noch recht jung und sie waren noch nie
als Waden-Experten auf einem Kongress,
drum brauchen sie Schnaps, denn der Bühnenstress,
auch Lampenfieber genannt, plagt sie dolle.
Endlich, so langsam entknäult sich die Wolle,
in der sich eben so viele noch hatten.
Stattdessen entbrennen gleich wüste Debatten,
wer wen wohl wie dolle gezwickt und gehauen.
Der Knecht ruft: "Schaut her und seht meinen blauen
Fleck an der Wade, und fühlt wie ich leide."
"Ach, jammer nicht rum, Knecht!" ruft einer da. "Kreide
ich dir denn die Beule an, die mich nun ziert?
Kommt mit in der Saal, denn dort tanzen zu viert
zwei Zwillingspaare den Wadenbeinreigen,
und alle Doktoren und Hilfskräfte neigen
im Rhythmus des Tanzes die bärtigen Köpfe
und headbangen wild ihre zott'ligen Zöpfe."
"Oh ja!" ruft ein andrer, "das will ich sehen",
und während die andren zum Saal zurückgehen
überreicht nun die Magd dem Knecht seine Locke.
Da erstmals bemerkt er, wie zierlich im Rocke
sie dasteht, umschürzt von seidenem Flor.
Da erflackert im Herz des Knechtes Amor.
Schon will er ihr glühend sein Verlangen bekennen,
zärtlich sie zierlich berockter Barockengel nennen,
da wir sie vom Koch rücklings niedergestochen
und röchelt im Hinsinken "Wochen, ach Wochen ..."
und fällt gänzlich tot nun dem Knecht vor die Füße.
Das ist jedoch Gott nun nicht recht, und die süße
Magd bekommt prompt die Chance sich zu reinkarnieren
und wählt von den möglichen Menschen und Tieren
zur Reinkarnation sich nun Folgendes aus:
"Als erstes wünsch ich mir mein Wadenhaar kraus..."
Drauf Gott: "Ich bin bin Gott. Ich bin keine Fee."
"Na, der Service hier ist doch was lau, wie ich seh.",
erwidert die Magd nur und guckt sich mal um.
Da fehlen selbst Gott nun die Worte und stumm
schickt ER sie als Magd in ihr Leben zurück.
Nun möchte man meinen, die Magd hatte Glück:
Sie lebt noch; sprach Gott; hat eine Jenseitserfahrung.
Sie ist längst nicht tot, kann sich im Diesseits durch Paarung
vermehren; Gelehrte und Redner gebären.
Doch alles erschrickt voller Furcht in der näh´ren
Umgebung der Magd, als sich diese erhebt
und nun selbst als Gelehrte zum Rednerpult strebt,
um den Wadenbeinfachkongress just zu beschließen
und anschließend endlich den Knecht zu genießen.
© Fey & Genähr
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