Familienweihnachtsgesang

Familienweihnachtsgesang

Der Vater nimmt als Dirigentenstab sich einen Zweig.

Die Mutter greift zum Quetschklavier geformt aus Blätterteig.

Der Opa zupft die Bässe auf seinem Hosenträger.

Daneben steht der Sohnemann, ein magrer Brillenträger

und allesamt erwarten von ihm, dass er nun singe.

Da öffnet Paul die Schiebetüre, herein tritt Inge,

die Tochter aus der dritten Ehe von Pauls Cousine.

Sie kommt herein geschritten mit ihrer Violine

und blickt sich um und lächelt und alle sind beglückt.

Jetzt fehlt noch Tante Richard. Sie gilt als leicht verrückt.

Oder sagt man er? Man weiß es nicht genau.

Sie kommt herein gesprungen mit Fauchen und Miau

und allesamt erstrahlen, nun ist der Chor komplett.

Nur im Orchester fehlt noch Klaus-Dieter am Spinett.

Trotzdem hebt nun der Vater den Zweig zum Dirigat

und hofft auf ein Ergebnis von klangvollem Format.

Und so beginnt zur Weihnacht ein heitres Musizieren.

Des Opas Hosenträger beginnen zu vibrieren.

Das Quetschklavier macht Plong, die Violine Pling.

Der Vater stubst den Paul an und sagt zu ihm: "Nun sing!"

Doch Paul putzt sich die Nase, recht laut und unmelodisch

und rhythmisch schniefig brüchig, ja äußerst episodisch.

Doch Vater wär nicht Vater, wüßt er nichts draus zu machen


Er blickt kurz in die Runde und dann mit wirrem Lachen

erhöht er den Rhythmus und grinst diabolisch.

Doch Inge streicht weiterhin tief melancholisch

und stoisch den Bogen über die Geige.

Da geht nun des Vaters Verständnis zur Neige,


und er schmollt mit der Lippe und stampft mit dem Fuß.

So wurde am Ende das Lied noch ein Blues.

"Hey Folks, put on your christmas suede shoes."

Die Wendung ins Englisch sei reichlich abstrus,

so finden die andren mit nöligem Klang.

Auch trieft wohl der Schmalz aus dem öligen Gang

des Gehörs von Opa beim bluesigen Spiel.

Da erkennt der Vater gar traurig: Das Ziel,

das gemeinsam harmonische Lied, ist noch fern.

Er braucht eine Pause. Auch der Sohn hätt das gern,

um kurz ein paar Katzenschubser zu jagen.

Dies tat er mit Blick Tante Richard -wärts sagen,

denn die hat sich noch keiner zu schubsen getraut.

Der Vater also am Tisch stehend haut

flachhändig auf denselben zur Pause

und rauft sich die Haare und nippt an der Brause.

"Es muss doch ein Lied, nur ein Lied uns gelingen!"

Da plötzlich hebt an ein fröhliches Singen

von draußen vom Waldesrand her.

Klaus Dieter erscheint da und mit ihm noch mehr

Familienmitglieder, auch Kinder und Greise.

Sie kommen zurück von der jährlichen Reise,

des Heimatchors ´Trutzburg´ im Bund der Vertriebnen


© Fey & Genähr

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